Druck, Stress, Überforderung und was können wir tun – Was ist denn Stress? – hat mich vor Jahren mein Großvater gefragt – Früher hatte man Migräne, das schon, aber Stress? Er wunderte sich und betonte das Wort auf eine so merkwürdige Art, dass es tatsächlich wie ein Fremdwort klang. Mein Opa, der in russischer Kriegsgefangenschaft war, kannte das Wort Stress nicht. Den Begriff Trauma benutzte man damals auch nicht. Man sprach einfach weniger über schlechte Erfahrungen, man kam anders klar – im Stillen, alleine, oft gar nicht, obwohl es danach aussah. Zehn Jahre später coache ich einige junge Menschen, die mir erzählen – Es ist mir eigentlich egal, wo ich arbeite, ich möchte nur diesen Druck nicht mehr spüren – eine junge Frau presst ihre Finger an den Kopf, als ob sie zeigen wollte, wo sich der Druck befindet – diesen Stress, den uns die Profs machen, zwei meiner besten Freundinnen haben Depression, zwei sind schon auf die Realschule gewechselt und sie waren gut, wissen Sie, richtig gut, nur emotional ging das nicht mehr… Sie schüttelt mit dem Kopf. Ärger in der gefalteten Stirn, Hilflosigkeit in den blau-grünen Augen unter schwerer Mascara. – Woran liegt es denn? – Ich weiß es nicht, die Profs wollen uns Stress machen, vielleicht wollen sie uns auf das „richtige Leben“ vorbereiten, aber meine Praktika waren bislang gut, da waren Menschen liebevoller und haben zusammen was gemacht, nicht gegeneinander… da ging es mir besser. – War der Druck dann weg? – hacke ich nach. – Nicht ganz, ich meine, ein Teil davon ist immer mit mir, den mache ich mir selbst, ich weiß… – Willst du dir anschauen, woher der innere Druck kommen könnte? Sie schaut mich verwundert an und sagt nach einer Weile, die sich lang anfühlt – Ich dachte, sie sagen jetzt einfach, reiß dich doch zusammen… das haben zwei davor schon gesagt. Sie hat Tränen in Augen, die sie versucht zu unterdrücken, bevor sie sich in den Pupillen richtig zeigen. Ich schaue kurz weg. Die Zeit, um genauer hinzuschauen, wird noch kommen. Was kannst du tun, wenn es Dir ähnlich geht? Überlege, woher der Druck kommt oder, noch genauer, welche Teile des Drucks kommen von außen und welche von innen. Was uns sehr oft Druck macht, sind unsere inneren Glaubensätze, die wir unbewusst als Teil unserer Perspektive auf die Welt übernommen haben. Welche sind das für dich? Wenn du selbst nicht darauf kommst, frag nach: bei Menschen, die dich gut kennen und die, die dich weniger kennen und mehr beobachten. Es gibt auch Tests die dabei helfen (ich empfehle hier u.a. den LINC Personality Profiler, den ich mit dir gemeinsam analysieren kann) und Coaching-Gespräche, um sich das Ganze im vertraulichen Rahmen anzuschauen.
Spiegeln und Perspektivwechsel
Spiegeln und Perspektivwechsel – was hat es auf sich? Spiegel im Flur und ein Kind davor – Was sieht mehr, der Spiegel oder der Mensch? – fragt mich vorgestern unser sechsjähriger Sohn. Ich muss schmunzeln – fast schon philosophisch, die Frage. – Was denkst du? – frage ich zurück. Er schaut sich um, runzelt seine glatte Kinderstirn. – Der Spiegel ist groß, da passt mehr rein. Und das Auge – er fasst sich mit dem Finger daran, sodass eine Träne runterkommt – das zielt auf einen Punkt, es sieht dann genauer… Kinder sind manchmal verblüffend in ihrer Intuition und Beobachtungsgabe. Der Kleine schläft schon längst, wenn ich über unser Gespräch und unterschiedliche Arten von Spiegeln nachdenke. Spiegeln, Sparren, Feedback, Perspektivenwechsel … Alles Begriffe, die gerade in allem Munde sind. Wenn ein gewisser Kontext hergestellt wird, nutzen wie sie fast automatisch, obwohl sie gerade dafür da sind, den Automatismen in unserem Alltag entgegenzuwirken. Unten wage ich eine informelle, beispielbasierte Einordnung der Begriffe, am Ende kommt es aber darauf an, frisch auf das eigene Umfeld und auf sich selbst zu schauen. Schonungslos in der eigenen Neugier. Ohne Absicherung, ohne Angst, aus sich selbst heraus. So wie einige Sechsjährige. Das rote Auge hat sich mittlerweile erholt. Auf dem Spiegel sehe ich weiterhin kleine Fingerabdrücke, es ist fast schade, diese wegzuwischen. Wofür brauchen wir „Spiegeln“? Neulich beobachte ich immer häufiger etwas, was selbstverständlich klingt, wenn man das aufschreibt – wir sind alle in unserer eigenen Perspektive verfangen. Je länger und tiefer wir uns mit einem Thema beschäftigen, desto stärker identifizieren wir uns damit. Das hat viele Vorteile (z.B. Motivation, Energie, Überzeugungskraft), aber ein wesentlicher Nachteil davon ist, dass wir oft nicht mehr in der Lage sind, das Thema in einen breiteren Kontext zu setzen. Gerade wenn etwas schiefläuft und das Ganze noch emotional aufgeladen wird, fällt es uns oft schwer, wieder eine breitere Perspektive einzunehmen. Eine Kundin beschrieb es so: „ich befinde mich in einem Tunnel, alles drum herum verliert an Konturen und Wichtigkeit, es ist ein wenig wie ein Traum, aber kein guter…“ Durch einen Fokus auf bestimmte Themen schauen wir selbstverständlich immer aus einer bestimmten, subjektiven Perspektive, wir beschreiten immer wieder unsere thematischen „Tunnel“, sonst könnten wir keine Experten sein. Irgendwann kann aber die Linie der Verhältnismäßigkeit überschritten werden – wann genau, ist schwer festzustellen. Oft höre ich, dass das unerwartet kommt – die Betroffenen befinden sich plötzlich in einem krankhaften (z.B. psychotischen oder Burn-Out) Bereich. Die inhaltliche Auseinandersetzung ist dann nicht mehr rein inhaltlich, es wird emotional und zwar über eine längere Zeit hinaus. Der Körper macht oft nicht mehr mit, nachdem seine Warnzeichen überhört wurden… Es muss aber nicht so weit kommen. Ich würde das alltägliche „Perspektiven-Hygiene“ nennen: Wenn wir uns immer wieder aus unserer eigenen Sicht befreien – durch Interesse am Schicksal und Perspektive Anderer, durch Aktivitäten, die uns auf andere Gedanken bringen oder gar aus der Gedankenwelt rausnehmen (für einen ist das Yoga, für die andere – Schwimmen), durch Beziehungen und Gespräche mit Menschen, die uns kennen und uns ehrliches Feedback geben. Manchmal braucht es auch einen Prozess und eine Begleitung, die uns in unserer Selbstreflektion, im Abstand zu uns selbst und schließlich auch in unserer Veränderungsbereitschaft stärkt. Prozess, in dem es nicht darauf ankommt, mehr von dem Gleichen zu tun Sich auf einen Prozess einzulassen ist nie einfach. Im 1:1 Coaching genau so wenig wie in einem Gruppenveränderungsprozess. Es fordert Vertrauensvorschuss, Verbindlichkeit, Selbstdisziplin. Der Prozess ist ein sehr mechanisches, fast schon bürokratisches Wort, am Ende heißt es aber nicht „mehr von dem Gleichen“ und nicht nur „regelmäßige Termine einführen und einhalten“, sondern gemeinsam in die Tiefe zu gehen – jedes Gespräch wird uns möglicherweise mehr abverlangen, mehr an Selbsteinsicht, Selbstreflektion, an Offenheit uns selbst und der Perspektiven Anderer gegenüber. Es wäre bestimmt einfacher und irgendwie „gemütlicher“, bei sich zu bleiben – durch viele Sichten ist die Welt komplexer, schwer zu überblicken, aber umso spannender. Aus Sich der Begleitung: Wichtige Methoden auf diesem Weg sind Spiegeln und Perspektivwechsel. Oft werden diese Begriffe wie Synonyme verwendet, aus meiner Erfahrung liegt jedoch das Spiegeln dem Perspektivwechsel zugrunde. Oft (bestimmt nicht immer) ist Perspektivwechsel Ergebnis von einem Spiegelungsprozess, manchmal eine eigenständige Methode und Ergebnis zugleich. – Ich merke, dass du heute immer wieder deine Schwester erwähnst, auch wenn wir über ganz andere Themen sprechen – spiegelte ich vor Kurzem einer Kundin. Wenn danach ein verwundertes „Echt?“ zurückkommt, ist es ein Zeichen, dass du gerade eine breitere Perspektive in die Gedanken des Gegenübers einführst und dem Kunden etwas an der Wahrnehmung von draußen zurückgibst. Du bist in dem Moment der Spiegel im Flur, bei dem mein Sohn meinte, dass der Spiegel „mehr in sich tragen kann“, weil er größer ist (nicht unbedingt genauer). Das Spiegeln kann auf inhaltlicher Ebene stattfinden, oft ist es wirksamer, den Blick auf die Körperhaltung, Emotionalität, den Abstand zu den Themen und Interpretationstendenzen der Kunden zu richten. Was ist denn der Unterschied zum Feedbackgeben? Feedback bezieht sich oft (nicht immer) auf die Wirkung vom Handeln oder von der Kommunikation einer Person auf die andere. – Mich hat es getroffen, als du letztes Mal gesagt hast, dass ich mir keine Zeit für dich nehme… – wäre ein klassisches Feedback, weil das Verhalten einer Person auf die andere Person thematisiert wird. Perspektivwechsel zielt wiederum oft darauf hin, eine ganzheitliche Perspektive einer anderen Person oder einer Gruppe für eine gewisse Zeit einzunehmen, gedanklich, manchmal sogar körperlich (ganzheitlich). Dafür gibt es viele Methoden (dazu mal ein anderer Blog). Wofür das Ganze? Durch Spiegeln und Perspektivwechsel finden wir in die Welt zurück. Das klingt philosophisch, ist aber sehr konkret – vielen psychosomatischen oder psychologischen Krankheitsbildern liegt zugrunde, dass man den Bezug zur Welt „da draußen“ irgendwann verlor und sich sehr tief in der eigenen Perspektive „eingegraben“ hat. Durch Spiegeln und Perspektivwechsel können Gruppen und Teams zusammenwachsen. Die Teammitglieder finden zueinander, können sich gegenseitig besser verstehen und einen richtigen, nachhaltigen, für alle tragbaren Konsens bilden. Sie können sogar eine Sicht auf die (strategischen) Dinge entwickeln und sie umso stärker in Organisation raustragen und rausstrahlen. Durch
Identity search – a method to try
Identity search – a method to try (Blog in English) You can have your role defined, but not your identity. This is your job, no one will sketch it out for you…. When I say that, people often ask about the difference. Especially in the German business context, we speak a lot about roles, and little about identity. The word IDENTITY seems too big, it is hard to get around it, to grasp it and make it meaningful in everyday life. But at the same time, is it indispensable – people I talk to and coach speak about the gap between the inside and the outside, about “missing” themselves, about lack of meaning and sense. At the end of the day, they speak about identity which is either not defined yet or cannot be lived, and it is not a theoretical discussion, but an urgent existential need. What can we do? One step at a time. One method at a time. I give you one in my blog, as an example, there are many others – bear in mind that it is often not about the “right“ method you choose from a given set, but about the right step at a right time for the person you are trying to help, also if this person is you and you apply the methods on yourself. You can focus the steps underneath on a specific subject – for example, if you want to define your professional identity or manager identity, you can do the same but adjust the content to the specific themes. At the beginning, however, I suggest you just follow the steps without predefined focus.
Und wo ist deine Mufasa-Stimme?
Und wo ist deine Mufasa-Stimme? Ein sehr persönlicher Nachruf auf James Earl Jones Tief berührt bin ich in den letzten Tagen von der Geschichte vom neulich verstorbenen James Earl Jones, der seine markante, tiefe Stimme Dark Veder („Star Wars“) und Mufasa („The Lion‘s Kind“) gegeben hat. Ich schaue Interviews mit ihm, in denen er darüber erzählt, wie er als stotterndes Kind in seiner Kindheit sehr wenig sprach, und wenn überhaupt, dann am liebsten mit seinem Hund. Er wurde mit 4 von seinen geschiedenen Eltern den Großeltern übergeben und war seitdem schüchtern und in sich zurückgekehrt. Mit 11 ist aber eine Wende passiert – eine Situation, die mich seit Tagen nicht loslässt und inspiriert. Der junge Jones hat ein Gedicht geschrieben und sein Englischlehrer bat ihm darum, dieses Gedicht vor der ganzen Klasse auswendig vorzutragen, (da er ihn nicht glaubte, dass der Junge das Gedicht selbst geschrieben hat.) Und was tat James? Er hat es selbstbewusst vorgetragen, ohne einmal zu stottern. Es war also möglich, das Stottern zu überwinden. Das war ein Anfang seiner „Genesung“ und seiner großartigen Karriere als Schauspieler. Die Dichtung hat ihn gerettet, meinte er nach Jahren. Die genauere Erklärung, die Jones für diese Situation gibt, ist, dass er in dem Moment nicht auf die anderen Menschen angewiesen war, sondern seine eigenen Gefühle in Form eines Gedichts vortragen konnte. Einfach raus, in die Welt… Ich denke mir, das ist fast schon magisch, wenn das, was in uns schlummert, ans Licht kommt, ohne wenn und aber, ohne Stottern und Schmerzen. Wenn die innere mit der äußeren Stimmen zusammentreffen, hält uns nichts mehr auf. Wie oft befinden wir uns in Situationen, in denen wir uns nicht wohl fühlen, die uns sprachlos machen (mehr oder weniger buchstäblich)? Stottern ist ein sehr sichtbares Zeichen, aber unser Körper gibt uns auch diskretere Signale, wenn etwas nicht stimmt. Wir haben uns daran gewöhnt, solche Signale als Nervosität, Stress oder Reaktion auf den Druck abzutun. Wir sprechen dann so, als ob uns etwas fehlen würde. Wissen, Erfahrung, Resilienz…. Oft ist es aber eher das Wissen über uns selbst, die Selbsterkenntnis, die uns fehlt. – Was mache ich, um in der Situation selbstbewusster aufzutreten? – höre ich von einer Coachee. Frage nach Anleitung, nach best practises, nach Übung. Ein Hilferuf. Man könnte hier einen Schritt zurücktreten und sich die Frage stellen (offen, nicht rhetorisch): – Was sagt dir dein Körper in diesem Moment? Und willst du das, was er dir zeigt oder andeutet, ernst nehmen oder erstmal nicht? Auf einer tieferen, individuellen Antwort auf diese Fragen kann eine ebenso individuelle Anleitung für Souveränität aufgebaut sein. Mit nicht trotz Körper, mit nicht trotz unserer Vorgeschichten. Ich habe vor Kurzem einen wunderbaren Film „The King’s Speech“ geschaut. Am Anfang wird dort auch eine Illusion genährt, dass die sprachliche Behinderung des Dukes rein „mechanisch“ behandelbar wäre, man merkt jedoch allmählich, wie der prominente Patient und der exzentrische Schauspieler-Therapeut an Grenzen von diesem „mechanischen“, muskelorientierten Ansatz kommen und wie sie tiefer in die traumatische Geschichte des Dukes eintauchen müssen, um seine Stimme zu ihrer vollen Kraft zu entwickeln. Um heute souverän sprechen zu können, müssen wir mit unserer Vergangenheit und mit uns selbst im Reinen sein – scheint eine der Gedanken zu sein, die in diesem psychologischen Film vermittelt wird. Auch mit Blick auf die Gegenwart und unsere alltäglichen Erfahrungen lohnt sich ein tieferes Reinfühlen in die eigenen physiologischen Reaktionen. Unser Körper merkt schnell, wenn das, was uns wichtig ist mit dem, was gerade um uns herum passiert, nicht übereinstimmt. Es könnte als Clash von Werten betrachtet werden, mit dem unterschiedliche Menschen unterschiedlich umgehen. Einige stottern oder zittern in diesem Moment, andere erst nach zwei Stunden, im Konfort des Alleinseins. Noch andere sind ganz ruhig, jahrelang ruhig und professionell, bis sie irgendwann nicht mehr können. Andere ergreifen direkt die Stimme, die noch übrigbleibt. Sehr viele merken die Zeichen und Stimme ihrer Körper nicht mehr, oder erst dann, wenn sie darauf angesprochen und in eine Situation versetzt werden, in denen ihr Körper aktiviert werden kann. Es gibt kein allgemeingültiges Rezept, aber es lohnt sich, hinzuschauen und hinzuhören, wenn wir „stottern“, egal in welcher Form, mehr oder weniger sichtbar. Wenn uns etwas wehtut, wiederholt, in bestimmten gesellschaftlichen Situationen. Es muss etwas dran sein. Was ist deine Stimme, die, auf die du stolz bist, mit der du laut und deutlich sprechen kannst und willst? Deine Mufasa-Stimme, die in Erinnerung bleibt. Auch wenn James Earl Jones nicht mehr unter uns ist, seine Rollen und seine Stimme hallen nach (nicht zuletzt dank der KI – in den neueren Folgen von Star Wars wurde sie auf seine Stimme trainiert). Echos, von denen wir so viel lernen können.
Commitment im Coaching Prozess
Sich verändern wollen – wie wichtig ist Commitment bei Veränderungen? Commitment des Klienten ist unabdingbar für den Erfolg der Veränderungsreise. Ich werde immer wieder gefragt, ob es möglich ist, dass ich eine Person coache, die noch nicht weiß, ob sie etwas verändern möchte, aber bestimmt (mit der Zeit, im Prozess der Reflektion…) überzeugt wird, dass eine Veränderung nötig ist. Manchmal wird dieses Vorgehen als Coaching „unter der Hand“ bezeichnet, manchmal „diskret“, was oft bei dieser Frage mitschwingt ist die Hoffnung, dass die Beziehung des Klienten zum Coach etwas in der Haltung des Coachee verändern kann, und das Commitment, der Wille… tja, die werden folgen… Es ist eine komplexe Angelegenheit, weil wir das „Wollen“ nicht wirklich quantifizieren und am Anfang des Prozesses nicht so leicht „überprüfen“ können. Es gibt Menschen, die sagen, dass sie zwar eine Veränderung wollen, aber sich selbst damit gar nicht meinen. Erst bei der Konkretisierung oder Konfrontation in einem Coachinggespräch wird es klarer, dass die Veränderung, die sie meinen, Personen aus ihrem Umfeld betrifft, nicht sie selbst. Im Coaching steht jedoch die Veränderung der eigenen Muster, Gedankengänge und Verhaltensweisen im Mittelpunkt und nicht die des Partners, der Kinder oder der Welt da draußen (auch wenn man natürlich das „System“ in den Gesprächen mit betrachtet). Der Fokus auf den eigenen Handlungsspielraum kann für einige Menschen befreiend sein („es tut so gut, einfach mal 1,5 Stunden nur über mich und meine Möglichkeiten zu sprechen, auch wenn es schwierige Themen sind…“ Zitat Coachee), für andere jedoch irritierend, insbesondere bei Menschen, die starke Verletzungen und Enttäuschungen erlebt haben, über die sie im Coaching verständlicherweise sprechen möchten. Es ist möglich, das zu tun und trotzdem den Fokus auf die Bereiche im Leben zu richten, die wir beeinflussen können – dafür ist aber das Commitment, also ein starker Wille, etwas selbst zu verändern, eine Voraussetzung. Und hier schließt sich wieder der Kreis. Fragen, die helfen können, um festzustellen, ob das für die Veränderung nötige Commitment beim Coachee vorhanden ist, wären beispielhaft Fragen nach dem Leidensdruck, z.B. „Wenn es so weitergeht, wo stehst du in einem Jahr (mit Blick auf das konkrete Thema)?“ oder Fragen, die die Perspektive verändern und gleichzeitig Ehrlichkeit ins Gespräch bringen „Deine Frau sagt, etwas muss sich verändern. Was könnte sie damit meinen? Wie siehst du das?“. Als Coach merkt man schnell, ob sich der/die Coachee auf diese Art der Fragen einlässt oder eher nicht. Einlassen heißt in diesem Fall nicht eine korrekte Antwort parat zu haben – vielmehr bedeutet es, sich mit der Frage beschäftigen zu wollen, auch wenn damit ein emotionales Risiko und ein gewisser Schmerz einhergehen. Wenn die Bereitschaft oder Reife dafür noch nicht vorhanden ist, gehört es zur Ehrlichkeit der Coach-Coachee Beziehung dazu, das dem/der Coachee rückzumelden – oft kann dieses Feedback selbst schon viel in Richtung Veränderungsbereitschaft bewirken, wenn nicht direkt, dann innerhalb einiger Monate. Zeit ist ein wichtiger Faktor bei der Steigerung der Bereitschaft für Veränderungen und für eine ehrliche Selbstreflektion. Das Eine geht ohne das Andere nicht. Als Zusammenfassung eine Portion Rilke (das schadet nie): „Es handelt sich darum, alles zu leben. Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich, ohne es zu merken, eines fremden Tages in die Antwort hinein.“ (Rainer Maria Rilke)